Runa vom Wittelsberg
Das Mittelalter hat mich schon immer fasziniert. Schon als Kind habe ich Ritterfilme geliebt. Mit Sicherheit habe ich eine eher romantische Vorstellung, die mit der damaligen Realität nichts gemeinsam hat. Aber es hat mich immer schon magisch angezogen. Vor ca. 20 Jahren habe ich Angefangen, Mittelaltermärkte zu besuchen. Auch da war ich sofort fasziniert von der Atmosphäre. Ritter in ihren Rüstungen liefen umher, schöne Lager waren aufgebaut, wo gewandete Menschen auf Fellen am Lagerfeuer saßen. Dampfende Kessel über offenem Feuer und irgendwo spielte Jemand Dudelsack oder Laute. Man war in einer anderen Welt, hier gingen die Uhren langsamer und alles schien so friedlich und der Met floss in rauen Mengen. Natürlich gab es auch Ritterkämpfe. Mann gegen Mann oder zu Pferd. Man bekam eine ganz leise Ahnung davon, wie es damals wohl gewesen sein musste.
2009 wurde der Wunsch nach einem Mittelalterverein immer größer und ich suchte nach einer Gruppe oder einem Verein. Eine Gruppe von Gleichgesinnten, die ihre Wochenende auf gemütlichen Märkten verbrachten. In einem schönen Lager am Feuer sitzen, schöne Gewandungen tragen und einfach nur die Stimmung genießen.
Ich fand dann auch einen Mittelalterverein in der Nähe. Er organisierte sogar eigene Mittelaltermärkte und ich begann meine Figur, die ich darstellen wollte, zu entwickeln. Nach einiger Recherche fand ich den Vornamen Runa, der mir sehr gefiel. Runa geht auf das altnordische Wort „run“ zurück, welches übersetzt „Zauber“ und „Geheimnis“ bedeutet. Die beliebtesten Interpretationen von Runa sind daher „die Zauberhafte“ und „die Geheimnisvolle“. Da ich auf dem Wittel wohnte, war auch gleich der Nachname klar und somit war „Runa vom Wittelsberg“ geboren.
Dann ging es an die Gewandung. Damals trug man Leinen, Wolle und Fell. Je nach Stand und Reichtum konnte man sich entsprechende Farben leisten. Da war erstmal einiges an weiterer Recherche nötig. Ich bin allerdings nicht so weit gegangen und habe meine Gewandung mit Pflanzen oder Beeren gefärbt. Aber meine Gewandungen waren aus Leinen, mein Kleid wurde hinten geschnürrt, ich hatte einen warmen Wollumhang, nadelgebundene Armstulpen und Socken und Lederschuhe mit einem kleinen Schnabel vorn. Einen langen Gürtel mit hübscher Schnalle (ich stellte ja keine Leibeigene da) und diverses Gebamsel dran. Man trug ja schließlich sein Hab und Gut bei sich. Die Nächte auf den Märkten waren weniger romantisch als in meiner Vorstellung. Man schlief ja nur hinter einer Stoffbahn. Von außen sah alles ganz authentisch aus aber im Inneren wurde bei mir etwas gemogelt. Ich hatte mir noch kein Holzbett gemacht, daher schlief ich auf einem Feldbett. Hatte es aber mit vielen Fellen belegt, da die Nächte echt kalt waren. Dicke Socken, Jogginghose und Pulli waren mein Nachtgewand. Da hatte ich es dann nicht so mit der Authentizität, da wollte ich lieber nicht frieren. Auch Oropax und Schlafbrille waren meine treuen Helfer, um nicht schon um 5 Uhr hellwach zu sein. Die Nächte waren schließlich nicht gerade kurz und das. Wenn man gemütlich am Lagerfeuer sitzt und der Musik lauscht, können schnell einige Stunden unbemerkt vergehen.
Ich überlegte mir auch eine Geschichte hinter dem Namen. Wir stellten das 13. Jahrhundert dar und da konnten die Frauen schon als Händlerinnen arbeiten. Auf unseren Mittelaltermärkten habe ich in der Weinkutsche gearbeitet und später hatte ich sogar einen eigenen Marktstand für meine selbstgenähte Kleidung. Die war allerdings nicht mittelalterlich aber immerhin alternativ. Ach, was war das eine schöne Zeit.
Wir haben viele Mittelaltermärkte veranstaltet und ich kann dir sagen, es war harte Knochenarbeit. Unser ganzes Lager bestand aus über 10 Mittelalterzelten, die mächtig schwer waren. Unser komplettes Lager bestand aus massivem Holz oder Eisen. Geschirr aus Ton, Felle, Holztruhen, Kerzenhalter, Teppiche und und und. Zusätzlich haben wir eine große Taverne aufgebaut, ebenfalls natürlich massiv und sauschwer. Weinstand, Weinkisten, Tische, Bänke, Kassenzelte, ach ich kann gar nicht alles aufzählen. Es war ne Schufterei. Aber auch sehr, sehr schön. Wir hatten kreative Händler, tolle Heerlager, wundervolle Feuershows, Zauberer, Gaukler und tolle Spielmannsleute. Was habe ich die Zeit geliebt.
Im Verein hatte ich dann irgendwann den 2. Vorsitz eingenommen und war an der kompletten Organisation beteiligt. 2 Märkte habe ich sogar als Markmeisterin geleitet aber das war dann auch das Ende meiner aktiven Mittelalterzeit. Dafür bin ich nicht gemacht. So viel Stress war nur schwer erträglich. Aber es war eine unglaubliche Erfahrung. Zur Markteröffnung bin ich sogar mal zu Pferd eingeritten. Das war schon toll.
Nun ist es ruhiger geworden. Endlich gibt es wieder Märkte und ich habe schon einige wieder besucht. Habe sie schrecklich vermisst, in den letzten 2 Jahren. Jetzt genieße ich die Märkte einfach nur noch als Besucher und jeder Veranstalter hat meinen vollsten Respekt und meine Hochachtung für diese aufwendige und harte Arbeit.